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GC Loch Lomond bei Glasgow
Meisterstück
mit mythischem Klang
British-Open-Champion
Tom Weiskopf komponierte einen Platz in das einzigartige Gelände, der sich unter
den
50 besten Plätzen der Welt etabliert hat
Es
gibt einsamere, vielleicht auch spektakulärere Seen als diesen. Kein Monster ist
zu besichtigen wie beim nördlichen Nachbarn Loch Ness, keine Schlacht um
Schottlands Unabhängigkeit ist hier geschlagen worden. Aber er ist The Queen of
Scottish lakes". Loch Lomond, ein mythischer Klang. Diesen See "On the bonnie,
bonnie banks o Loch Lomond", so endet das berühmteste Volkslied einer Nation,
ein melancholisches Farewell, die Erkennungsmelodie eines heimwehkranken Landes.
Selbst ein Berufsmisanthrop wie Matthew Bramble beschreibt die Region, nur 30
Kilometer westlich von Glasgow, als ,,das schottische Arkadien". Nie leuchtete
der See heller, seit der Loch Lomond Golf Club 1994 seine Pforten öffnete. Wer
die kilometerlange private Auffahrt, die vom ungebrochenen Stammbaumbewusstsein
des einst hier residierenden Clans der Colquhoun zeugt, passiert, taucht in die
selbstbewusste Epoche des späten 18. Jahrhunderts ein. Als habe er schon immer
dazugehört, harmoniert der Meisterschaftsplatz mit dem malerischen
Landschaftsgarten, in dem man Blicke mit Bildern verwechseln kann.
Der Entwurf der Anlage
stammt aus der genialen Feder von Tom Weiskopf. Der ehemalige
British-Open-Champion mag mit seinen fabelhaften Layouts jenseits des Atlantiks
zu Recht den Großen seiner Zunft zugerechnet werden, am Gestade von Loch Lomond
hat er sein Meisterstück abgeliefert
Sich der Einzigartigkeit
des Geländes bewusst, logierte er monatelang in einem einfachen Cottage, um die
Ausführung seiner Pläne bis zum Schluss zu dirigieren. Die Runde ist einer
Halbinsel abgerungen, die gemächlich ihren breiten Rücken dem See
entgegenstreckt. Die harmonischen Proportionen, der graziöse Rhythmus der
Raumregie reichen vom Gesamtentwurf bis ins kleinste Detail. Alles atmet Ruhe
und Symmetrie. Im östlichen Teil der Domäne rollen die Uferwiesen ihren Teppich
aus, im Westteil bilden dichter Forst und ein schäumender Fluss das
Gegengewicht. Entweder See- oder Bergblick empfiehlt sich dem Auge, eine Kulisse
jenseits aller Beschreibungen, überragt von der grasbewachsenen Pyramide des
fast tausend Meter hohen Ben Lomond.
Bild
links: Im Rossdhu House, einem Herrensitz aus dem Jahre 1773, ist das Clubhaus
untergebracht.
Zunächst folgt die Partie
dem Schwung des Lochs mit breiten, isoliert ausgelegten Spielbahnen Bereits das
2. Loch überrascht mit einem Doppelgrün, das es sich mit dem entgegenkommenden
4. teilt. Eine historische Steinbrücke, die dem Muster der römischen ,,Swilcon
Bridge" in St. Andrews ähnelt, überrascht den Akteur am 5., dem ersten Par 3.
Hohes, schimmerndes Rough, das einem schon von weitem wie listige Augenbrauen
zuzwinkert, muss überflogen werden, um das direkt am Uferbereich gelegene Grün
zu treffen. Der Fixstern unter manchen Sternschnuppen von Loch Lomond ist jedoch
das lange 6. Hole. Das schlanke Par 5 mit seinem diagonal gesteiften Fairway
reibt sich mit der See die Schulter. Nur im Drivebereich gibt die schmale Taille
ein wenig nach, während der 2. Schlag durch ausladende Bäume und den Barrikaden
blendend weißer Bunker wirkungsvoll erschwert wird. Rechter Hand geraten einige
der vielen Seeinseln ins Blickfeld, Eilande wie Tuschzeichnungen, beunruhigt und
verändert von jedem Windstoß. Der zweite Durchgang ist eine Reise voll stiller
Schönheit, Landschaft wie auf romantischen Genrebildern. Ortskundige werden
hinter dem 12. Grün Reste eines kantigen Turms entdecken, in dem einst Maria
Stuart einige ihrer zahlreichen Liebesbriefe schrieb. Dann machen sich die
Einfälle geradezu selbständig:
Bild
rechts: Loch 17, ein Par 3 mit ebenso malerischem wie tückischem Rough.
Am 13. etwa, das eine Waldschneise nach Westen nutzt, um nach heftigen
Bocksprüngen erst in Nähe des Forellenteiches zur Ruhe zu kommen. Oder am 14.,
wo eine Laune der Natur - oder die des Architekten - dem Spieler die Möglichkeit
eröffnet, den rechten, hindernisreichen Weg zum Grün zu nehmen, alternativ aber
auch die risikoarme, freilich längere Passage links an den Bäumen vorbei
einzuschlagen. Mit einem fulminanten Kehraus schließt die Partie: Der
Treibschlag am 1 8. führt über ein Inlett des Sees hinweg; danach orientiert
sich der Bahnverlauf an der Rundung des Gewässers, wo die hauseigene
Bootsanlegestelle und die Burgruine aus dem 15. Jahrhundert letzte Akzente
setzen. Loch Lomond Golf Club, der sich auf Anhieb unter den 50 weltbesten
Plätzen etablieren konnte, eröffnet neue Dimensionen moderner Golfarchitektur.
Nach diesem Entwurf wird es jeder weitere schwer haben.
Als passende Draufgabe
figuriert Rossdhu House, ein Herrensitz aus dem Jahre 1773, als Clubhaus. Sein
Ambiente kann durchaus dazu verleiten, Heimweh nach den ,,bonnie, bonnie banks o
Loch Lomond" zu bekommen, bevor man wieder zu Hause ist.
Infos: Loch Lomond Golf Club, Rossdhu House, Luss, by Alexandria, Dunbartonshire
G83 8NT, Scotland. Tel. 0044-1436-860 223, Fax 0044-1436-860-265.
Text des Artikels von Hans-Joachim
Walter, Fotos von Brain Morgan

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